GesundheitspolitikRecht

Keine Kinderwunschbehandlung mit heterologer Insemination auf Kassenkosten

Eine Frau hat keinen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf Erstattung der Kosten ihrer Kinderwunschbehandlung unter Verwendung von Spendersamen (heterologe Insemination). Medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sind nach § 27a Abs 1 Nr 4 SGB V nur dann der Krankenbehandlung und damit den Leistungen der Krankenversicherung zuzurechnen, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden (homologe Insemination). Die von der Klägerin begehrte Behandlung unter Verwendung von Spendersamen (heterologe Insemination) wird hiervon nicht erfasst.

Gegen diese Regelung bestehen nach Ansicht des Bundessozialgerichts keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Aus dem Schutz von Ehe und Familie nach Art 6 GG folge keine Pflicht des Gesetzgebers, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern.

Die Vorschrift verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG. Die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt einer weitreichenden Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Die Ungleichbehandlung von Ehepaaren, die über zur Fortpflanzung taugliche Ei- und Samenzellen verfügen gegenüber Ehepaaren, bei denen dies nicht der Fall ist, ist gerechtfertigt.

Der Versicherungsfall des § 27a SGB V geht von einer grundsätzlich bestehenden Zeugungsfähigkeit des Ehepaars aus. Zwar erkennt die Vorschrift als soziale Komponente die Erfüllung des Kinderwunsches innerhalb einer bestehenden Ehe als Behandlungsziel an. Sie knüpft darüber hinaus jedoch den Leistungsanspruch an eine krankheitsähnliche Komponente, nämlich an das individuelle Unvermögen auf natürlichem Weg gemeinsam Kinder zu zeugen bei eingeschränkter, aber nicht aufgehobener Zeugungsfähigkeit.

Entscheidet sich der Gesetzgeber im Rahmen der im Wesentlichen auf die Krankenbehandlung ausgerichteten gesetzlichen Krankenversicherung, eine nur unterstützende Kinderwunschbehandlung mittels künstlicher Befruchtung zu fördern (homologe Insemination), liegt ein hinreichender sachlicher Grund hierfür darin begründet, dass er die individuelle krankheitsähnliche Komponente gleichberechtigt neben die soziale Komponente stellt.
Der Gesetzgeber ist aufgrund seines weiten Gestaltungsermessens zudem bei verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren, bei denen die Zeugungsfähigkeit aufgehoben ist, auch mit Blick auf die krankheitsähnliche Komponente nicht verpflichtet, neben der unterstützenden Kinderwunschbehandlung eine ersetzende in Gestalt einer heterologen Insemination anzubieten. Indem die in gleichgeschlechtlicher Ehe lebende Klägerin sich darauf beruft, dass auch ihr der Kinderwunsch erfüllt werden müsse, bezieht sich dies nur auf die soziale Komponente der Norm. Sie begehrt dafür nicht (nur) die Überwindung einer krankheitsähnlichen Situation, sondern die Kompensation einer – in der von ihr gewählten Eheform – nicht bestehenden Zeugungsfähigkeit.

Zu einer anderen Bewertung zwingt auch nicht die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Der Gesetzgeber wollte hiermit die gleichgeschlechtliche Ehe nur an die gemischtgeschlechtliche Ehe angleichen. Aus diesem Anliegen folgt nicht die Pflicht, die zeugungsbiologischen Grenzen einer solchen Ehe mit Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung auszugleichen.

Das Erfordernis einer homologen Insemination verstößt schließlich nicht gegen das Diskriminierungsverbot nach Art 3 Abs 3 GG. Es knüpft nämlich nicht an die Gleich- oder Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe an, sondern an die Behandlungsmethode. Dies betrifft nicht nur gleichgeschlechtliche Ehepaare, sondern ebenso absolut Zeugungsunfähige und – von dem Erfordernis der Ehe nach § 27a Abs 1 Nr 3 SGB V einmal abgesehen – auch Alleinstehende.

Bundessozialgericht 10.11.2021 – B 1 KR 7/21 R
Vorinstanzen: Sozialgericht Würzburg – S 6 KR 412/18, 21.05.2019
Bayerisches Landessozialgericht – L 20 KR 412/19, 19.08.2020