Patient fragt nach Ihrer Erfahrung – antworten Sie ehrlich!

Stellt der Patient Ihnen Fragen, die für seine Einwilligung in den operativen Eingriff von Bedeutung sind, so haben Sie diese wahrheitsgemäß zu beantworten! Dies betrifft insbesondere auch die Routine und Erfahrung des behandelnden Arztes im Hinblick auf die geplante Operation. Erklärt der Operateur auf eine solche Frage, derartige Operationen gehörten zum Tagesgeschäft, wird dem Patienten ein falscher Eindruck vermittelt – mit der Folge der Unwirksamkeit seiner Einwilligung, wenn in der betroffenen Klinik solche Behandlungen nicht häufig vorgenommen werden.

Der behandelnde Arzt muss vor einer medizinischen Maßnahme, insbesondere vor einer Operation, die Einwilligung des Patienten einholen. Ohne Einwilligung ist der Eingriff rechtswidrig. Führt dies zu einem Schaden, kann dem Patienten hieraus ein Schadensersatzanspruch gegen den oder die beteiligten Ärzte erwachsen.

Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt die Aufklärung des Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände voraus. Hierzu zählen nicht nur die gemeinhin für die ordnungsgemäße Selbstbestimmungsaufklärung von vornherein für unentbehrlich gehaltenen Informationen über die Behandlung selbst, die mit ihr verbundenen Risiken und Chancen sowie mögliche Behandlungsalternativen.

Stellt der Patient dem Arzt konkrete Fragen zu Umständen, die für seine Einwilligung von Bedeutung sind, müssen auch diese wahrheitsgemäß beantwortet werden. Dies ist Voraussetzung für eine selbstbestimmte Entscheidung des Patienten, die der Arzt nicht durch Desinformation unterlaufen darf. Dies betrifft auch konkrete Nachfragen zur Routine und Kompetenz des Arztes, denn allein schon mit dieser Frage bringt der Patient deutlich zum Ausdruck, dass es sich um für seine Einwilligung wesentliche Umstände handelt.

[!] Wenn der Patient den Arzt konkret fragt, ob er für die Durchführung der Operation die ausreichende Kompetenz besitzt, muss der Arzt diese konkrete Frage wahrheitsgemäß beantworten. Dieser Gesichtspunkt stellt keine Petitesse dar, da Erfahrung und Routine des Operateurs entscheidende Bedeutung für die Qualität und den Erfolg der Behandlung haben, insbesondere wenn es um intraoperativ zu treffende Entscheidungen geht.

Der konkrete Fall

Im konkreten Fall hatte ein Patient Zweifel, ob Ärzte eines „Rückenmarkzentrums“ die Expertise für eine anspruchsvolle Hüftoperation hätten. Das gesamte Beratungsgespräch war auch mit dem Vorführen des Privatpatientenzimmers und der Anwesenheit des Chefarztes und eines Oberarztes darauf ausgerichtet, den Patienten zu gewinnen. Die Bedenken des Patienten waren nicht substanzlos und seine Bedenken wurde mit falschen Informationen zerstreut. Dieser Eindruck wurde noch dadurch unterstrichen, dass man just in diesem Zusammenhang (für den Laien als Ausdruck besonderer Kompetenz) den 6,5-fachen Gebührensatz verlangte.

[!] Was wenn nicht zumindest die Äußerung, es handele sich um das Tagesgeschäft, soll den Patienten angesichts dessen zur Einwilligung bewegt haben? Dem Patienten ging es um die Erfahrung mit dieser Art von Operationen, was den Ärzten nicht verborgen geblieben sein kann. Antwortet der Arzt auf die Frage des Patienten, ob er hier richtig sei, derartige Operationen zählten zum Tagesgeschäft, suggeriert er erkennbar Erfahrung und Routine und bestimmt den zweifelnden Patienten dazu, die seine Frage provozierenden Bedenken zu überwinden. Bei wahrheitsgemäßer Antwort durfte aus Sicht des Arztes genau dies nicht geschehen.

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt , 05.12.2019 – 1 U 31/17a